Abruptes Ende

Die Jagdgesellschaft des Freiherrn von Waldenberg in der Rhön war erfolgreich. Über 50 Fasane wurden erlegt und ein Graf, was die Freude doch leicht drückt.

Schatten über der Rhön

Die Jagd des Freiherrn von Waldenberg endet für über fünfzig Fasane und einen Grafen mit dem Tod. Der hinzugerufene Gendarm geht vom Freitod des Adligen aus. Revierjäger Bonifatius „Boni“ Burgmüller verdächtigt dagegen zwei Offiziere der kaiserlichen Armee. Entgegen der obrigkeitlichen Meinung glaubt er sehr wohl, dass diese zu so einem Verbrechen fähig sind. Als Bonis Freund plötzlich wegen Mordes festgenommen wird, setzt er alles daran den Täter zu finden und seiner gerächten Strafe zuzuführen.

Das Deutsche Kaiserreich in einer brodelnden Zeit des Umbruchs. Eine Tragödie vergangener Tage – und eine offene Rechnung, die noch lange nicht beglichen ist …

Eine packende Kriminalgeschichte in der Wilhelminischen Zeit mit skurrilen und humorvollen Charakteren. Dunkle Geheimnisse werfen ihre Schatten von der Rhön über Fulda und Hanau bis nach Frankfurt am Main.

Ausschnitt Kapitel 1

„Die Erlegung“

Das war so nicht zu erwarten gewesen, er hatte viel vorgehabt, auch wollte er noch einige Dinge regeln, von einem ordentlichen Abschied ganz zu schweigen. Nun war seine Zeit abgelaufen, und die letzten Sandkörner der Lebensuhr verrannen.

Aber was hätte er tun können? Der Mann kam überraschend, zögerte keine Sekunde, sagte nichts, wollte auch nicht sprechen. Hasserfüllte Augen blitzten aus einem kantigen Gesicht. Mit größter Profession und ohne Skrupel nahm der Unbekannte sein Ziel auf und drückte ab.

Der Schlag war gewaltig. Er wurde sofort umgerissen. Als der Schuss auftraf, blieb noch nicht einmal Zeit für einen Schmerzensruf oder eine sonstige Äußerung. Nun lag er rücklings auf einer Moorwiese in der Rhön und stierte mit glasigem Blick zu den vorbeiziehenden Wolken empor.

Es war ganz anders, als er es vermutete. Die Glieder fühlte er schon nach wenigen Sekunden nicht mehr, als wären sie vereist. Nur noch Kälte kroch Zentimeter für Zentimeter hinauf. Gleichzeitig brannte seine Brust, höllische Feuer wüteten dort, und der Schmerz war unerträglich. Schreien wollte er, die Qual gen Himmel stoßen, ein wütendes Gebrüll um sein Leben beginnen, doch es fehlte die Luft. Das Einzige, was er hervorbrachte, war ein Wimmern und Stöhnen. Luft, Luft, mehr Luft, aber es blieb dabei, Gevatter Tod schien auf Nummer sicher gehen zu wollen und ließ ihn nicht nur qualvoll verbluten, sondern versuchte ihn auch gleichzeitig zu ersticken.

Welch bitteres Schicksal war es, mitten auf dem Zenit seiner Mannes- und Schaffenskraft seiner Zukunft bestohlen zu werden. Mit Mitte vierzig war er noch weit von einem erfüllten Leben und der Genugtuung eines wohlverdienten Abganges entfernt. In der langen Linie seiner Vorfahren war selbst zu Kriegszeiten keiner so früh gegangen.

Er versuchte sich aufzurichten, allein, es wollte nicht gelingen, selbst seinen Kopf konnte er nicht bewegen. Dafür war er hellwach, hatte seine Sinne beisammen wie noch nie in seinem Leben. Welche bittere Ironie, jetzt war es zu spät, um mit dieser geistigen Energie irgendetwas anfangen zu können.

Er spürte, dass sein Todesknecht noch da war. Süßer Tabakduft war in der Luft. Oder irrte er sich und der Sensenmann kam Tabak rauchend, um ihn zu holen? Plötzlich stieg Wut in ihm auf. Sein Mörder sah nicht unwaidmännisch aus, und er hatte die Waffe gekonnt bedient. Nur der Schuss war so amateurhaft, so enorm schlecht gesetzt und das aus nicht einmal zehn Metern. Selbst mit Pfeil und Bogen hätte er auf diese Entfernung mitten ins Herz treffen müssen, dann hätte er es nach weniger als einer Minute hinter sich gehabt. Aber so verlängerte der Kerl sein Leiden.

Inzwischen hatte die Eiseskälte seinen Oberkörper erreicht und näherte sich den Schultern. Er flehte innerlich seinen Schöpfer an, Gnade walten zu lassen, seine Sünden – und davon hatte er kaum eine ausgelassen – würde er als Gegenleistung nie wieder begehen. Er schwor, sich zu bessern, im Leben alles wiedergutzumachen. Aber wie? Tote können keine guten Taten mehr vollbringen. Dieser Weg war ihm versperrt, und wie das Jenseits aussah, war ein großes Fragezeichen. Endete alles im Nichts? Verlosch die Lebensflamme einfach, und das war es? Oder würde danach etwas auf ihn warten, ein Himmel? Traf er die Vorangegangenen, musste er sein Leben zur Strafe wieder und wieder durchleben, oder gab es sogar ein Zurück? Wundern musste er sich, als ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen. Es war nicht im Geringsten nachvollziehbar, dass er sich jetzt mit solchen eher philosophischen Dingen beschäftigte. Andererseits, warum nicht jetzt, die Umstände waren nicht nur bestens dazu angetan, sondern auch die immer schneller verrinnende Zeit im Diesseits drängte.
(…)

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